Wie DNA-Verpackungen den «Wächter des Genoms» steuern

Cover-Illustration, die zeigt, wie das Nukleosom von verschiedenen Cofaktoren und p53 gebunden wird. Bildnachweis: Colby R. Sandate (EPFL)

Cover-Illustration, die zeigt, wie das Nukleosom von verschiedenen Cofaktoren und p53 gebunden wird. Bildnachweis: Colby R. Sandate (EPFL)

Forschende der EPFL haben herausgefunden, wie die Struktur der DNA-Verpackung in Zellen beeinflusst, welche Proteine mit dem wichtigen Tumorsuppressor p53 interagieren können.

Jede Zelle in unserem Körper trägt in ihrem Zellkern etwa zwei Meter DNA, verpackt in einem winzigen Volumen von nur wenigen hundert Kubikmikrometern – etwa einem Millionstel Milliliter. Dies gelingt der Zelle, indem sie die DNA-Stränge um Proteinspulen wickelt. Diese Protein-DNA-Komplexe werden Nukleosomen genannt und sorgen dafür, dass die DNA sicher gespeichert wird.

Doch diese Verpackung zu Nukleosomen stellt gleichzeitig eine Herausforderung dar: Wichtige zelluläre Mechanismen müssen trotzdem auf den genetischen Code zugreifen können, um die Zellen gesund zu halten und Krankheiten wie Krebs zu verhindern.

Eines der wichtigsten Proteine in unseren Zellen ist p53, das auch als «Wächter des Genoms» bezeichnet wird. Es trägt zur Kontrolle des Zellwachstums bei, regt die Reparatur von DNA-Schäden an und kann bei beschädigten Zellen sogar deren Selbstzerstörung auslösen.

Bei vielen Krebserkrankungen wird p53 deaktiviert oder umfunktioniert. Daher ist es für die Entwicklung von Krebstherapien von entscheidender Bedeutung, die Funktionsweise von p53 zu verstehen. Doch dabei besteht ein Problem: Die meisten DNA-Sequenzen, an die p53 bindet, sind gut in Nukleosomen verpackt und somit schwer erreichbar. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich lange gefragt, wie p53 diese «versteckten» Sequenzen erreicht, um seine Aufgabe zu erfüllen, und wie andere Proteine, die mit p53 interagieren, es in diesem Chromatin-Labyrinth finden.

Neue Steuerungsebene entdeckt

Forschende unter der Leitung von Nicolas Thomä, der den Paternot-Lehrstuhl für interdisziplinäre [A1] Krebsforschung an der EPFL innehat, haben nun herausgefunden, dass Nukleosomen als Gatekeeper für die Molekülpartner von p53 fungieren. Das Team hat untersucht, wie p53 mit verschiedenen Cofaktoren interagiert, während es an nukleosomale DNA gebunden ist, und dabei eine neue Steuerungsebene für die Aktivität dieses kritischen Proteins entdeckt.

Die Forschenden verwendeten hierzu eine Kombination modernster Verfahren, darunter Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM), biochemische Assays und genomweite Kartierung. Mithilfe dieser Instrumente rekonstruierten sie, wie p53 an seine DNA-Ziele bindet, wenn diese in Nukleosomen aufgewickelt sind.

Anschliessend testeten sie, ob zwei wichtige «Cofaktor»-Proteine noch p53 erreichen können, wenn es an nukleosomale DNA gebunden ist: USP7, das zur Stabilisierung von p53 beiträgt, und den viralen E6-E6AP-Komplex, der den Abbau von p53 bewirkt.

Sie stellten fest, dass p53 immer noch an DNA binden kann, selbst wenn es in Nukleosomen aufgewickelt ist, insbesondere an den Ein- und Austrittsstellen der DNA-Spulen. Überraschender war jedoch, dass USP7 mit p53 interagieren konnte, selbst wenn es an das Nukleosom gebunden war. Dabei entstand ein stabiler Komplex, den die Forschenden mithilfe von Kryo-EM detailliert beobachten konnten.

Im Gegensatz dazu konnte E6-E6AP nicht auf p53 zugreifen, wenn es an nukleosomale DNA gebunden war. Die Struktur des Chromatins selbst hindert also selektiv bestimmte Proteine daran, p53 zu erreichen. Dadurch entsteht eine zusätzliche Steuerungsebene, die über einfache genetische Sequenzen oder Protein-Protein-Interaktionen hinausgeht.

Die Arbeit zeigt, dass die physikalische Struktur der DNA und ihre Verpackung im Zellkern molekulare Wechselwirkungen aktiv beeinflusst. Mit der Erkenntnis, wie Nukleosomen als Gatekeeper für den Zugang zu p53 fungieren können, eröffnet die Forschungsarbeit neue Möglichkeiten in der Krebsforschung und könnte als Grundlage für zukünftige Therapien dienen, die auf die Wiederherstellung oder Steuerung der p53-Funktion bei Erkrankungen abzielen.

Weitere Mitwirkende

  • Friedrich Miescher, Institut für Biomedizinische Forschung
  • Universität Basel
Finanzierung

EU Horizon 2020

Schweizerischer Nationalfonds (SNF)

Krebsforschung

Novartis Forschungsstiftung

Novartis FreeNovation

National Health and Medical Research Council

South Australian immunoGENomics Cancer Institute

Sylvia and Charles Viertel Charitable Foundation

Referenzen

Deyasini Chakraborty, Colby R. Sandate, Luke Isbel, Georg Kempf, Joscha Weiss, Simone Cavadini, Lukas Kater, Jan Seebacher, Zuzanna Kozicka, Lisa Stoos, Ralph S. Grand, Dirk Schübeler, Alicia K. Michael, Nicolas H. Thomä. Nucleosomes specify cofactor access to p53. Molecular Cell, 25 July 2025. DOI: 10.1016/j.molcel.2025.06.027 


Autor: Nik Papageorgiou

Source: EPFL

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